Elektroautos und Reichweite: Die grössten Irrtümer und was wirklich stimmt
Die Diskussion um die Reichweite von Elektroautos ist emotional, oft polemisch – und nicht selten falsch informiert. Vor allem in der Schweiz, wo kurze Distanzen und gute Ladeinfrastruktur zusammentreffen, ist die Realität meist entspannter als das Klischee.
Von vermeintlicher Unbrauchbarkeit im Winter bis zur Panik vor leeren Batterien – dieser Artikel entlarvt die häufigsten Irrtümer rund um die Reichweite von E-Autos, gibt realistische Einordnungen und liefert konkrete Tipps für mehr Effizienz im Alltag.
Reichweite in Zahlen: Wie weit kommt ein E-Auto wirklich?
Moderne Elektrofahrzeuge bieten heute Reichweiten, die vor wenigen Jahren noch undenkbar waren. Modelle wie der Tesla Model S, Mercedes EQS oder BMW iX erreichen zwischen 500 und über 700 Kilometer Reichweite unter realen Bedingungen. Kleinere Modelle wie der Renault Megane E-Tech oder der VW ID.3 schaffen je nach Akku zwischen 300 und 450 Kilometer – mehr als genug für den Alltag.
Die durchschnittliche Tagesdistanz in der Schweiz beträgt laut Bundesamt für Statistik etwa 36 bis 40 Kilometer. Damit lässt sich ein typisches Elektroauto locker mehrere Tage ohne Nachladen bewegen.
Mythos 1: „Elektroautos sind nur für die Stadt geeignet“
Ein weitverbreiteter Irrtum. Zwar fühlen sich kleine E-Autos im urbanen Umfeld wohl – wegen des hohen Drehmoments, der Rekuperation und des leisen Antriebs. Aber auch auf Langstrecken sind moderne Stromer konkurrenzfähig. Die Ladepausen lassen sich gut mit Pausen für Essen oder WC-Besuche verbinden. Immer mehr Fahrzeuge bieten zudem Autobahnreichweiten über 400 Kilometer, was längere Etappen ohne Nachladen möglich macht.
Mythos 2: „Im Winter verlieren E-Autos die Hälfte ihrer Reichweite“
Richtig ist: Kälte beeinflusst die Batterie. Doch moderne E-Autos sind mit Wärmepumpen, Batterievorwärmung und effizienter Innenraumheizung ausgerüstet. Realistisch ist ein Reichweitenverlust von etwa 15–30 % – nicht 50 % wie oft behauptet. Wer das Fahrzeug noch am Kabel vorheizt und auf die Sitz- statt Innenraumheizung setzt, fährt auch im Winter effizient.
Wichtig für die Schweiz
Besonders in alpinen Regionen ist es ratsam, den Energieverbrauch bei Anstiegen und die Rekuperation bei Talfahrten zu berücksichtigen. Letztere kann im Idealfall bis zu 15 % Reichweite zurückgewinnen.
Mythos 3: „Laden dauert ewig“
Ein weiteres Missverständnis. Schnellladetechnik ist heute weit entwickelt. Viele Modelle erreichen Ladeleistungen zwischen 100 und 250 kW. Das bedeutet: In rund 15 bis 30 Minuten kann eine Batterie auf 80 % geladen werden. Das reicht für weitere 250 bis 400 Kilometer – genug für die nächste Etappe.
- Hyundai Ioniq 5: 10–80 % in 18 Minuten
- Tesla Model 3: 15–25 Minuten an Supercharger
- BMW i4: bis zu 200 kW Ladeleistung
Mythos 4: „Die Hersteller lügen bei der Reichweite“
Die angegebenen Reichweiten basieren auf dem WLTP-Zyklus, der unter standardisierten Bedingungen misst. Das bedeutet: gleichmässige Fahrweise, konstante Temperaturen, keine Zusatzverbraucher. In der Praxis weichen die Werte ab – wie bei Verbrennern auch. Entscheidend ist der kombinierte Verbrauch in kWh/100 km. Je effizienter das Fahrzeug, desto realistischer die Reichweite.
Mythos 5: „Reichweitenangst ist ein reales Problem“
„Range Anxiety“ war früher ein Thema – bei Modellen mit 150–200 km Reichweite. Heute ist sie eher ein Mythos. Studien zeigen, dass Nutzer nach wenigen Wochen im E-Auto-Alltag realisieren, wie selten sie eigentlich laden müssen. Viele laden zu Hause oder am Arbeitsplatz und starten täglich mit „vollem Tank“.
Psychologischer Aspekt
Anders als beim Verbrenner muss der Akku nicht leergefahren werden. Wer regelmässig Zwischenladungen plant, vermeidet Stress. Moderne Bordcomputer zeigen Restreichweiten und Ladeoptionen präzise an.
Mythos 6: „In der Schweiz gibt es zu wenig Ladeinfrastruktur“
Falsch. Die Schweiz verfügt über eines der besten Lade-Netze Europas. Über 11’000 öffentlich zugängliche Ladepunkte (Stand 2025) stehen zur Verfügung – vom Supermarktparkplatz über Tankstellen bis zur Raststätte.
- MOVE, Swisscharge, evpass – flächendeckende Anbieter
- Ionity, GOFAST – High-Power-Laden entlang Autobahnen
- Tesla Supercharger – teilweise auch für Fremdmarken geöffnet
Optimale Nutzung: So holt man mehr Reichweite heraus
Die Art zu fahren beeinflusst die Reichweite stark. Wer gleichmässig fährt, wenig bremst (Rekuperation nutzt) und Geschwindigkeit moderat hält, kann 20–30 % weiter fahren. Weitere Spartipps:
- Eco-Modus aktivieren
- Reifen mit niedrigem Rollwiderstand
- Ladestand nicht über 80 % halten (schont Batterie)
- Nicht unter 10 % fahren (Reserve einplanen)
Fazit: E-Autos bieten mehr Reichweite als viele glauben
Die meisten Ängste rund um die Reichweite sind unbegründet. Elektroautos bieten realistische Reichweiten für den Alltag, die Schweiz verfügt über eine dichte Ladeinfrastruktur – und modernes Lade- und Batteriemanagement sorgt dafür, dass auch längere Fahrten entspannt verlaufen. Entscheidend ist: Wer informiert ist, fährt entspannter. Und wer einmal ein E-Auto im Alltag erlebt hat, fragt sich oft: Warum nicht schon früher?
Quelle: motortipps.ch-Redaktion
Bildquellen: Bild 1: => Symbolbild © Petair/Shutterstock.com; Bild 2: => Symbolbild © penofoto/Shutterstock.com
