Architektur und Wasser: Bauen am Fluss, See oder Meer
Wasser prägt nicht nur Landschaften, sondern auch Lösungen – ob am Fluss, See oder Meer: Bauwerke müssen Resilienz, Ästhetik und Funktion vereinen.
Erfolgreiche Projekte zeigen, wie mit klugen Konzepten und Technik Wasser Architektonik bereichert und Risiken gemindert werden.
Wasser als gestaltender Faktor
Gegenüberlandschaften ohne Wasser bieten Uferstandorte oft bessere visuelle Qualität, Zugänglichkeit und Lebensqualität. Wasser reflektiert Licht, sorgt für frisches Mikroklima und ermöglicht vielfältige Nutzungen – Promenaden, Freizeit, Aussichtspunkte.
Gewässerrandlagen erfordern, dass Architektur nicht gegen das Wasser baut, sondern mit ihm. Die Orientierung an Blickachsen, die Einbindung von Uferzonen und die Schaffung von Übergängen zwischen Wasser und Bauwerk erhöhen die Aufenthaltsqualität und schaffen Identität.
Beispiel Schweiz: Die „Quaianlagen“ in Zürich zeigen, wie Seepromenaden ästhetisch und funktional in städtische Struktur integriert werden können – Uferbereiche werden öffentlich zugänglich, gleichzeitig wird das Ufer gegenüber Schwankungen im Wasserspiegel angepasst.
Technische und klimaräumliche Herausforderungen
- Überflutungsrisiko: Hochwasser, starker Wasserstand oder Sturmfluten fordern Schutzmassnahmen. Gebäude müssen so gestaltet sein, dass Nutzräume nicht unmittelbar gefährdet sind. Bauwerkserhebungen, Rückbauzonen und erhöhte Fundamentierung helfen.
- Korrosive Umgebungen: Salzhaltige Luft bei Meereslage, Feuchtigkeit und Spritzwasser beanspruchen Materialien stark. Materialwahl, Oberflächenhandhabung und baulicher Schutz gegen Spritzwasser sind zentral.
- Wasserkontrolle und Drainage: Effektive Ableitung von Regenwasser, Planung von Rückhaltebereichen oder Schwämmen („blue-green infrastructure“) und geeignete Bodenabdichtungen notwendig.
- Flexibilität gegenüber sich verändernden Bedingungen: Steigende Pegel, Wetterextreme, veränderte Uferlinien – Gebäude sollten adaptierbar sein, z. B. durch modulare Teile oder erhöhte Erdgeschosse.
- Nutzungsdruck & Zugänglichkeit: Öffentliche Wege, Aussichtspunkte, Freizeitbereiche und Infrastruktur verlangen Abstimmung mit Umweltschutz, ökologischen Zonen und öffentlichen Interessen.
Strategien und Designprinzipien
- Hochwasserresistentes Design: Rückversetzen der Bebauung, Hochlegung von Erdgeschossen, Einsatz von Dämmen oder schwimmenden Elementen.
- Integration von Grünflächen und Renaturierung: Uferbereich sanieren, native Begrünung, Feuchtzonen erhalten – erhöhen Biodiversität und Pufferfunktionen.
- Transparente Übergänge zwischen Wasser und Bauwerk: Stufen, Terrassen, Stege, die Ufer und Wasser verbinden, schaffen Nutzerbindung und ästhetischen Reiz.
- Materialwahl & Konstruktion für Langlebigkeit: Rostfreie Metalle, versiegelte Hölzer, Beton mit Korrosionsschutz, Beschichtungen gegen Salz und Feuchtigkeit.
- Wasser als Teil des Energiesystems: Nutzung von Wasser zur Gebäudekühlung oder Heizung (z. B. Geothermie oder Seewasserwärmetausch). Beispiel neulich: Neubau des „One Roof“ Hauptsitz der Lombard Odier in Genf nutzt das Wasser des Genfersees, um Heiz- und Kühlsysteme effizient zu gestalten.
Beispiele aus der Praxis
- Villa Le Lac von Le Corbusier, Schweiz: Das Gebäude liegt direkt am Genfersee, mit Panorama-Fenstern entlang des Ufers und minimalem Abstand zum Wasser. Es zeigt Balance zwischen Seelage und Privatsphäre.
- Lugano Waterfront Projekt: Ein Vorschlag, die Uferzone von Lugano neu zu gestalten mit öffentlichen Räumen, schwimmenden Gärten und flexibler Promenade, um Stadt und See näher zu verbinden.
- Resiliente Stadtentwicklung in Thu Duc City, Vietnam: Kombinierte Landschaftsplanung und Wasserbewirtschaftung als Antwort auf Überschwemmungsrisiken und urbanes Wachstum.
- HafenCity, Hamburg: Grosses Entwicklungsprojekt im Überschwemmungsgebiet mit intelligentem Umgang von Landhöhen, Dämmelementen und öffentlichen Uferbereichen mit Hochwasser-Gestaltung.
Gestalterische und ästhetische Potenziale
- Spiegelungen und Lichtspiele: Wasser reflektiert, erzeugt wechselnde Lichtverhältnisse – gestalterisch reizvolle Effekte für Fassaden, Fenster und Aussenräume.
- Geräuschkulisse und Akustik: Wasserläufe, Wellen oder Flussgeräusche können beruhigend wirken oder als Gestaltungselement zum Beispiel für Uferpromenaden oder Restaurants dienen.
- Offene Raumkanten zum Wasser: Sichtbeziehungen, Öffentlichkeitswirkung, Freizeitnutzer; Terrassen oder Sitzstufen direkt bis ans Wasser können Lokalität stärken.
- Kontrast von Stabilität und Bewegung: Massiver Baukörper, der Ruhe ausstrahlt, kombiniert mit der Bewegung des Wassers als lebendiges Element – Gegensätze schaffen Spannung.
Fazit
Bauen am Wasser verlangt weit mehr als gutes Design: Planung, Technik und Umweltdenken müssen Hand in Hand gehen. Die besten Architekturen verbinden Resilienz bei Wasserstandsschwankungen mit Aufenthaltsqualität und ästhetischem Mehrwert. Wer Wasser nicht als Gegner, sondern als Teil des Ortes begreift, schafft Bauwerke, die nie statisch wirken, sondern im Dialog mit Fluss, See oder Meer atmen.
Quelle: architektenwelt.com-Redaktion
Bildquelle: Screenshots aus youtube.com/watch?v=HedIX3mo8dg
